1970er Hellerkunst: Gestiefelter Kater mit Dreispitz, Siebdruck, 24 cm, Märchen-Holzbild 🇬🇧 1970s Hellerkunst: Puss in Boots with Tricorn, Screen-printed, 24 cm, German Wall Figure

ABENDRITUAL MÄRCHENBUCH: Um die Mitte des 20. Jahrhunderts war es ein typisches Ritual, dass die Mutter abends aus einem Märchenbuch vorlas. Nimmt man „sein“ Märchenbuch nach vielen Jahrzehnten wieder einmal in die Hand, sind die Gefühle der Kindheit oft mit einem Schlag wieder präsent. Häufig wird das durch die Illustrationen ausgelöst, aber auch durch die Form, die Dicke, die gesamte Haptik des alten Buches. Meines hatte einen roten Stoffrand und die Kutsche vom Gestiefelten Kater auf dem Einband.

🇬🇧 BEDTIME FAIRY TALE BOOK: Around the mid-20th century, it was a typical ritual for children have your mother read aloud from a fairy tale book in the evening. When one holds “their” fairy tale book again after many decades, childhood feelings often return in an instant. This is frequently triggered by the illustrations, but also by the shape, the thickness, and the overall feel of the old book. Mine had a red fabric border and the carriage of Puss in Boots on the cover. (9/5)

1970er Hellerkunst: Winziger Sternenreiter-Engel mit Geschenk, Siebdruck, 7 cm, Christbaumschmuck 🇬🇧 1970s Hellerkunst: Tiny Star Rider Angel with Gift, Screen-printed, 7 cm, Christmas Tree Decoration

MINI-FIGUREN: Einige der größeren Märchen-Holzbild-Manufakturen stellten im letzten Jahrhundert auch Figuren in Minigrößen her. Diese Mini-Größen wurden vor allem für die Weihnachtsdekoration hergestellt, als Christbaumschmuck. Man verwendete die teilweise winzigen Größen aber auch für Mobiles, Kinder-Messlatten, Wanduhren, kleine Dioramen, Kerzenhalter, Tischkartenhalter und Ähnliches.

🇬🇧 MINI FIGURES: Many of the large German Wall Figure manufacturers also produced miniature figures in the last century. These were primarily made for Christmas decorations, such as Christmas tree ornaments. These sometimes very tiny figures were also used for mobiles, measuring sticks, wall clocks, small dioramas, candle holders, place card holders, and similar items. (Buch/25)

1950er Hellerkunst: Till Eulenspiegel mit Sockel, Siebdruck, 28 cm, Märchen-Holzbild 🇬🇧 Midcentury Hellerkunst: Till Eulenspiegel with Base, Screen-printed, 28 cm, German Wall Figure

TILL EULENSPIEGEL: Der meist im Narrenkostüm (Hofnarr) dargestellte Till Eulenspiegel lebte vor etwa 700 Jahren. In der Stadt Mölln finden regelmäßig die Eulenspiegel-Festspiele statt, die an seine Streiche und seine Klugheit erinnern. Auf den Wandfiguren des 20. Jahrhunderts findet man ihn eher selten. Das schönste Till-Eulenspiegel-Holzbild stammt von Mertens: Es ist eine Art Deco Figur mit sehr langer, filigran ausgesägter Narrenkappe, die ihm fast bis zu den Knien reicht. Da kommt Till Eulenspiegel sogar ohne seine beiden Attribute aus (Eule und Spiegel) und man erkennt ihn trotzdem.

🇬🇧 TILL OWLGLASS: “Till Eulenspiegel” was a very clever jester who lived about 700 years ago in the German town of Mölln. He is most often shown in his jester costume with cap and bells, usually accompanied by an owl and a hand mirror. You’ll not find many German Wall Figures from the last century with this motif, but there are some. The most beautiful one is early Mertens: An Art Deco wood plaque with a delicate jester’s cap that is so long it almost reaches his knees. It’s one of my favorite wall figures! (Buch/25)

1960er Hellerkunst: Sonnenblumen-Mutter mit ungewöhnlichen Farben, Siebdruck, 23 cm, Märchen-Holzbild 🇬🇧 1960s Hellerkunst: Sunflower Mother with Unusual Colors, Screen-printed, 23 cm, German Wall Figure

MAGDA-HELLER-AUGEN: Das Zeichnen der Gesichter auf den Märchen-Holzbildern aus dem letzten Jahrhundert, besonders das Zeichnen der Augen, war immer das Schwierigste. Magda Heller, die unübertroffene Hellerkunst-Künstlerin, hat diesen Teil der Arbeit meist selbst übernommen. Das Anmalen der Figuren hingegen konnte von den (oft ungefähr dreißig) „Malmädchen“ ausgeführt werden. Selbst in der frühen Siebdruckzeit wurden die Augen (und auch die Hände) bei Hellerkunst noch handbemalt, meist auch noch von Magda Heller persönlich, wie mir ihr Sohn Klaus Heller im neuen Jahrtausend erzählte.

🇬🇧 MAGDA HELLER EYES: Drawing the faces on the German Wall Figures from the last century, especially the eyes, was always the most difficult part. Magda Heller, the unsurpassed Hellerkunst artist, usually handled this part of the work herself. The rest of the painting of the figures, however, could be done by the (often around 30) “painting girls.” Even in the early days of screen printing, the eyes (and hands) were still hand-painted at Hellerkunst, usually by Magda Heller herself, as her son Klaus Heller told me in the new millennium. (Buch/25)

1970er Hellerkunst: Fröhlicher kleiner Däumling mit Punktetuch, Siebdruck, 20 cm, Märchen-Holzbild 🇬🇧 1970s Hellerkunst: Cheerful Little Thumb with Polka Dot Scarf, Screen-printed, 20 cm, German Wall Figure

DER KLEINE DÄUMLING: Weil der kleine Däumling von Charles Perrault ein sehr grausames Märchen ist, wurde es im Laufe des letzten Jahrhunderts immer seltener vorgelesen. Auf den Märchen-Holzbildern aus dem letzten Jahrhundert blieb jedoch eine Szene bis in die 1980er-Jahre präsent – wie der kleine Däumling in den Siebenmeilenstiefeln des bösen Ogers (Menschenfressers) reist. Dabei wurde der Titel geändert: Die Figuren hießen nun nicht mehr „Kleiner Däumling“, sondern „Siebenmeilenstiefel“. Nur Ravi behielt den Namen „Däumling“ konsequent bei. Bei Heller trug die Christbaumschmuck-Figur aus den 1930er-Jahren noch ausdrücklich den alten Namen „Däumling“, aber auf der fröhlichen Version aus den 1960er-Jahren (mit dem hübscher Jungen im grauem Cape) steht auf der Rückseite „Siebenmeilenstiefel“. Also: Immer wenn auf einem Märchen-Holzbild ein kleiner Junge in Siebenmeilenstiefeln zu sehen ist, ist eigentlich der kleine Däumling aus der klassischen Märchensammlung von Charles Perrault gemeint.

🇬🇧 LITTLE THUMB: Because Little Thumb (Tom Thumb) by Charles Perrault is a rather gruesome fairy tale, it was read less and less as a bedtime story over the course of the last century. However, one scene continued to appear on German Wall Figures until the 1980s: the moment when Little Thumb travels in the ogre’s (man-eater’s) seven-league boots. The title was changed: The figures were no longer called “Little Thumb” but “Seven-League Boots.” Only Ravi consistently kept the name “Little Thumb.” Heller’s Christmas tree ornament from the 1930s still explicitly bore the name “Little Thumb,” but the cheerful 1960s version (with the gray cape) was labeled “Seven-League Boots” on the back. So, whenever you see a small boy in seven-league boots on an old wood plaque, it is actually Little Thumb from the fairy tale collection by Charles Perrault. (Buch/25)

1950er Hellerkunst: Tischlein deck dich ohne Sockel mit Hut in der Hand, Siebdruck, Märchen-Holzbild 🇬🇧 1950s Hellerkunst: The Wishing Table without Base with Hat in Hand, Screen-printed, German Wall Figure

TISCHLEIN DECK DICH: Das Brüder-Grimm-Märchen „Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack“ bedient drei menschliche Grundbedürfnisse. Alle drei ergeben, was jeder sich wünscht: 1. Immer genug zu Essen (der Tisch) 2. Immer genug Geld (der Goldesel) 3. Immer genug Schutz gegen böse Menschen (der Knüppel aus dem Sack). Man findet die drei Motive als Hobbyarbeiten (Laubsägearbeiten zum Beispiel nach Vorlagen von Graupner und Dullien). Die Dullien-Vorlage ist ein sehr hohes Holzbrettchen mit dem „Tischlein“ unter einem großen Baum. Als Manufakturen-Arbeiten erschienen die Motive zum Beispiel von Heller und Ravi. Heller hat gleich zwei Figuren zum „Tischlein“ entworfen: Auf beiden sieht man den ältesten Schneidersohn, aber nur auf einem der beiden Tischchen steht eine Weinflasche, und zwar bei der späteren Variante. Insgesamt ist das Motiv aber eher selten auf den Märchen-Holzbildern aus dem letzten Jahrhundert zu finden.

🇬🇧 THE WISHING-TABLE: The Brothers Grimm fairy tale “The Wishing Table, the Gold-Ass, and the Cudgel in the Sack” serves three basic human needs. All three result in what everyone desires: 1. Always enough food (the table) 2. Always enough money (the Gold-Ass) 3. Always enough protection against evil people (the cudgel in the sack). These three motifs can be found as hobby craft figures: The templates came, for example, from Graupner and Dullien. The Dullien template is a very tall wooden board with the „Table“ under a large tree. The motifs appeared as manufacturer-made figures by Hellerkunst and Ravi-Kunst, for example. Heller designed two figures showing the Wishing Table: Both depict the tailor’s eldest son, but only one of the two tables has a wine bottle on it, and that is the later version. Overall, the motif is rather rare on the German Wall Figures from the last century. (Buch/25)

1960er Hellerkunst: Kniender oranger kleiner Junge und rotäugiger Hase von Kinder-Garderobe, 12 + 6 cm, Märchen-Holzbilder 🇬🇧 1960s Hellerkunst: Kneeling Small Orange Boy and Red-eyed Rabbit from Children’s Wardrobe, 12 + 6 cm, German Wall Figures

GARDEROBEN, MESSLATTEN, DIORAMEN: Die meisten Hersteller von Märchen-Holzbildern haben damals auch größere Zusatzprodukte angefertigt. Kindergarderoben kamen zum Beispiel von Mertens, Heller, Kleur & Profiel (Niederlande) und von Grossmann Reit im Winkl in Bayern. Viele Manufakturen stellten außerdem Kindermesslatten her. Eine der schönsten Messlatten von Mertens-Kunst zeigt Kinder aus verschiedenen Nationen und Epochen – heute politisch unkorrekt, etwa Indianer, Maya-Junge, Eskimo, Japan-Mädchen im Kimono, Griechenland-Mädchen in antiker Kleidung, Holland-Mädchen, Afrika-Mädchen im Bastrock und ein Mexiko-Junge. Dioramen ohne Garderobenfunktion wurden etwa bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts produziert; die größte Vielfalt stammt von den Münchner Herstellern, zum Beispiel mit dem gestiefelten Kater und einer Märchenkutsche. Mertens stellte auch sehr kleine Dioramen mit Mini-Figuren her, etwa Schneewittchen mit den sieben Zwergen auf einer schmalen Holzleiste.

🇬🇧 COAT RACKS, GROWTH CHARTS, DIORAMAS: Most manufacturers of German Wall Figures in the last century also produced larger supplementary items. Children’s coat racks came, for example, from Mertens, Heller, Kleur&Profiel (Netherlands), and Grossmann. Many producers also made children’s growth charts. One of the most beautiful Mertens growth charts shows children from various nations and historical eras—most of them now politically incorrect: for example, Native American boy, Mayan boy, Eskimo (Inuit) girl, Japanese girl in a kimono, Greek girl in ancient attire, Dutch girl, African girl in a raffia skirt, and a Mexican boy. Dioramas without coat rack function were produced until the 1960s; the greatest variety came from Munich manufacturers—such as a Puss in Boots figure with a fairy tale carriage. Mertens also made very small dioramas with mini-figures, like a Snow White with all the seven dwarfs, mounted on a narrow wooden strip. (Buch/25)

1960er Hellerkunst: Fröhliches kleines Entlein, Siebdruck, 10×11 cm, Märchen-Holzbild 🇬🇧 1960s Hellerkunst: Cheerful Small Duckling, Screen-printed, 10×11 cm, German Wall Figure

WIRTSCHAFTSWUNDER-FIGUREN: Märchen-Holzbilder aus den 1950er rund 1960er sind oft besonders fröhlich und unbeschwert. Die Personen auf den Kinder-Wandfiguren hatten quasi das Lächeln gelernt. Der Zweite Weltkrieg und die Hungerjahre kurz danach waren endlich vorbei, das deutsche Wirtschaftswunder hatte begonnen und viele Kinder wurden geboren – sehr viele. Deshalb spricht man auch vom Babyboom und den Babyboomern. Das waren damals die geburtenstarken Jahrgänge, zu denen ich mit dem Geburtsjahr 1963 auch gehöre. Ein Buch von 2009 von Martin Rupps trug den entsprechenden Titel: „Wir Babyboomer … Wir waren immer zu viele.“

🇬🇧 ECONOMIC MIRACLE FIGURES: The German Wall Figures of the 1950s and 1960s were often particularly cheerful and carefree. The people on these wood pictures had practically learned to smile. The Second World War and the famine years shortly thereafter were over, the German economic miracle had begun, and many children were being born—very many. That’s why we also speak of the baby boom and the baby boomers. I was born in 1963, so I am one of those children. A 2009 book by Martin Rupps bore the appropriate title: „We Baby Boomers … We Were Always Too Many.” (Buch/25)

1960er Hellerkunst: Grüner Zwerg mit Vogel als Plastikfigur, 19 cm 🇬🇧 1960s Hellerkunst: Green Dwarf with Bird as Plastic Figure, 19 cm

HELLER, PLASTIKFIGUREN: In den Sechzigerjahren hat Hellerkunst mit einem neuen Material experimentiert, denn eine Zeitlang gab es Wandfiguren aus Plastik. Das waren vor allem Brüder-Grimm-Märchen und Zwerge, aber ich kenne auch ein Kindermotiv aus Kunststoff: Der inzwischen sehr seltene kleine Junge in Jägerkleidung mit Dackel. Zu den Märchenmotiven der Plastikserie erschien auch ein Magda-Heller-Buch mit dem Titel „Märchenkinder“. Das neue Material setzte sich jedoch nicht durch, so dass Hellerkunst bald wieder zum Sperrholz überging.

🇬🇧 HELLER, PLASTIC FIGURES: In the Sixties Hellerkunst experimented with a new material and for a while they produced wall figures made of plastic. Those plaques were mainly Brothers Grimm’s fairy tales and dwarfs, but there also was a (now rare) children’s motif with a little boy in green hunter’s outfit with a Dachshund. The fairy tale motifs were also published in the Magda Heller book “Märchenkinder” (fairy tale children). However, the plastic plaques were not as successful as the wood plaques, so Hellerkunst soon returned to the plywood material. (Buch/25)

1960er Hellerkunst: Brauner Zwerg mit Laute als Plastikfigur, 20 cm 🇬🇧 1960s Hellerkunst: Brown Dwarf with Lute as Plastic Figure, 20 cm

HELLER, MUSIKZWERGE: Magda Hellers Musikzwerge entwickelten sich über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg. Es begann mit den Art Deco Zwergen, die noch alle nackte Beine hatten, mit reizenden knubbeligen Knien. Die Figuren waren meist einfarbig, wobei diese Farbe in mindestens zwei Schattierungen aufgetragen wurde. Dann kam noch eine zusätzliche Kontrastfarbe für ein kleineres Detail dazu. Das klassische Beispiel ist der frühe „Baßgeiger“-Zwerg: Meistens war sein kurzes Hoodie-Kleid mittelblau, die Ärmel aber hatten ein leuchtendes Royalblau und die Kontrastfarbe bildeten die mal orangen, mal roten Stiefel. Später bekamen die musikalischen Gnome Hosen angezogen und in einer Hellerkunst-Versuchsreihe sogar ein anderes Material: Plastik statt Holz. Die Instrumente waren Flöte/Schalmei, Laute, Fiedel/Geige und Kontrabass.

🇬🇧 HELLER, MUSIC DWARFS: Magda Heller’s music dwarfs kept evolving over more than half a century. It started with the Art Deco style gnomes, all of them with bare legs and delightfully knobbly knees. Most figures had a single basic color applied in at least two different shades, plus an additional contrast color for a smaller detail. A classic example is the early “Bassgeiger” dwarf: His short hoodie tunic was mostly medium blue, the sleeves a bright royal blue, and the contrasting ankle boots were either orange or red. Later, the musical gnomes were given trousers and, in one experimental Hellerkunst series, even a different material: plastic instead of wood. Their instruments were flute/shawm, lute, fiddle/violin and double bass. (Buch/25)